sábado, 11 de agosto de 2012

Auszüge aus "Zend-Avesta" von Gustav Theodor Fechner





"Denn jedes Geistige heftet sich an etwas Leibliches"

"Aber kehren wir zu unserm ersten Bilde zurück, so können wir sagen: Der Stamm des göttlichen Geistes treibt die Geister der Gestirne wie Äste hervor, diese treiben die Geister ihrer Bewohner wie Zweige, diese die Gedanke wie Blätter. Denn jedes Geistige heftet sich an etwas Leibliches; unsere Gedanken können nicht gehen, ohne dass etwas in unserm Gehirn mitgeht, und Gottes Gedanken können nicht gehen, ohne das etwas in seinen Welten mitgeht; ja seine Gedanken drücken sich eben im Weltgang aus. Jeder Geist weiss unmittelbar von allem, was er selbst hervortreibt und was sich hieraus weiter entwickelt, aber er hat kein Bewusstsein von dem, was ihn hervortreibt, noch von dem, was mit ihm zugleich nachbarlich hervorgetrieben wird. So weiss der Geistesstamm der Welt um alles Treiben seiner Äste, Zweige und Blätter zugleich,  da diese die Teile sind, in die er sich entfaltet; aber die Äste wissen unmittelbar nur jeder um das Treiben seiner Zweige, und jeder Zweig weiss wieder nur um das seiner Blätter. Das heisst: Gott weiss alles, was in den Seelen ihrer Bewohner, die Bewohner alles, was in ihren eigenen Gedanken vorgeht."

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"Durch Erfahrungen solcher Art wird man unwillkürlich zu der Auffassung gedrängt, dass der geistigen Selbsterscheinung und der leiblichen Erscheinung ein gemeinschaftliches Wesen zugrunde liegt, das, innerlich betrachtet, so, äusserlich betrachtet, anders erscheint, und dass die nebeneinander her laufenden Vorgänge, der geistige und der leibliche, im Grunde ein und derselbe Vorgang sind, dass nur ihre Erscheinungsweise verschieden ist. Wir erklären uns die Verschiedenheit der Erscheinungsweise damit, dass sie von der Verschiedenheit des Standpunktes herrührt, den der Beobachter  dazu einnimmt. Als etwas Geistiges erscheint der Vorgang von einem innerlichen Standpunkte aus, als etwas Leibliches von dem äusserlichen Standpunkte."

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"Hiernach leuchtet es ein, dass ein fremdes Wesen uns nach seiner geistigen Seite nie unmittelbar erscheinen kann, sondern immer nur nach der leiblichen Seite. Darin liegt eben das Wesentliche im Verhältnis von Geist und Leib, dass dasselbe, was sich selbst als Seele oder Geist erscheint, einem anderen in einer andern Form erscheint, nämlich als Leib oder Körper. Der andere müsste schon ganz oder teilweise mit uns zusammenfallen, um nach seiner geistigen Seite ganz oder teilweise unmittelbar von uns erfasst zu werden. So denken wir uns auch das Verhältnis zwischen uns und dem höhere Geiste; er erfasst unser Geistiges unmittelbar als Geist, weil wir mit dem Teile seiner selbst ganz zusammenfallen; wir aber erfassen bloss einen Teil seines Geistigen unmittelbar als Geist, weil wir bloss mit einem Teile seiner selbst zusammenfallen; alles übrige von dem höheren Geiste erscheint uns als materielle und materiell wirkende Natur.

Alle Untersuchungen, die man über das Sein anstellen mag, reichen bloss bis zur geistigen und materiellen Erscheinungsweise heran. Von dem Grundwesen, das beiden Erscheinungsweisen zugrunde liegt, lässt sich weiter nichts sagen, als dass es eben durch jene doppelte Erscheinungsweise charakterisiert ist, nämlich als geistiges Wesen, wenn es sich selbst erscheint, und als leibliches Wesen, wenn es einem andern erscheint. Vergebens würde man versuchen, ein Etwas hinter diesen Erscheinungsweisen zu erkennen, da all unser Erkennen in Wahrheit selbst nur eine nähere Bestimmung unserer geistigen Selbsterscheinung ist."

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"Mit dem Glauben an die göttliche Natur der Gestirne verhält es sich ähnlich wie mit dem Instinkt der Tiere; auch dieser wird durch natürliche Veranlassung richtig geleitet. Was die junge Menschheit zum Gestirndienst getrieben hat, wird aus derselben Quelle sein wie das, was den Flug der Vögel nach einem unbekannten Lande richtet. Noch ehe der menschliche Verstand das Schiff und den Kompass erfand, die in die Ferne führen, wirkte das Dasein des entlegnen Landes als innerliche Zugkraft in der Seele und in den Flügeln des unverständigen Vogels. Und so mag es noch lange dauern, ehe sichere Verstandesschlüsse uns wieder zu dem alten Glauben an die göttliche Beseelung der Gestirne zurückführen; doch spricht die Tatsache, dass der Mensch noch vor allem Nachdenken sich getrieben fand, daran zu glauben, mehr als alle späteren Vestandesschlüsse für ein richtiges Fundament dieses Glaubens."

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"Fassen wir die Entwickelung, die der Gottesglaube zu durchlaufen gehabt hat, klar ins Auge, so lassen sich zwei Hauptrichtungen unterscheiden, nach welchen die uranfänglich einige Gottheit auf dem Wege der Verstandesfähigkeit zerlegt wird. 
Die eine Zerlegung  ist mehr äusserlich; die ganze Natur ohne vorherige Unterscheidung von Leib und Geist wird gewissermassen der Breite nach in Stücke zerlegt, die für das menschliche Leben eine Bedeutung haben können, und jedes einzelne Stück, sei es nun Sonne und Mond, sei es Feuer, Wasser, Erde und Meer, sei es ein einzelner Baum, ein Tier, ein Felsen, wird für sich genommen und göttlich verehrt. Das ist die schon vorher erörterte Entstehung des Polytheismus, der in der Religion der Griechen seine höchste Vollendung gefunden hat.

Die andere Richtung, nach welcher das ursprünglich Eine zerlegt wird, steht sozusagen senkrecht auf der vorherigen; Sie schneidet innerlich entzwei, was die erste nur äusserlich zerteilte. Wenn vorhin Gott in die Natur, das Geistige in das Leibliche eingesenkt blieb, so wird hier das geistig-leibliche Eine seinem Wesen nach gespalten. Gott wird von der Natur losgerissen uns einerseits als lebendiger Geist der toten Natur gegenübergestellt, andererseits als höheres Wesen über Sie emporgehoben. Nach dieser Weltanschauung, wie sie jetzt unter uns gilt, haben der Gott der Religion und die Natur der Naturwissenschaft sich so auseinandergesetzt, dass nur schwache Spinnefäden des Gedankens sie noch verknüpfen. In der Natur geht anscheinend alles her nach totem Gesetz, und Gott sitzt ausserhalb der Natur in erhabener Einsamkeit und unendlicher Höhe. Unsere Hände heben wohl noch zu ihm auf, aber sie reichen nicht an ihn heran. Er soll mit seiner Hand wohl noch in die Welt eingreifen, aber man weiss eigentlich nicht, was er noch darin zu tun hat. Es ist, wie wenn nach dem hellen Tage die Nacht angebrochen ist, wo nur noch zerstreute Sterne leuchten; es ist, als ob nach der Verwüstung eines blühenden Landes ringsum alles verödet wäre, und als ob alles Lebendige sich nur in vereinzelte Festungen -das sind die Leiber der Menschen und Tiere- hätte retten können; darüber hinaus ist alles dunkel und tot.

Und wie nun Gott und die Natur zerfallen sind, so ist auch ein Riss entstanden zwischen der Körper- und Geisteswelt. Leib und Seele stehen sich selbst im Menschen wie zwei feindliche Mächte gegenüber; der Geist erblickt geradezu seine Veredelung darin, dass er sich vom Leibe, als dem unheiligen sinnlichen Prinzip, möglichst freimacht -erst im Leben durch den Kampf wider das Fleisch, dann im Tode, wenn er die lästige Hülle des Leibes von sich abstreift. Auch ins Geisterreich selbst setzt sich die Spaltung fort; es gibt nur noch einzelne Geister nebeneinander; kein Band mehr für sie in einem obersten Geiste. Und wie das reich der Geister, so zerfällt schliesslich auch die Natur in sich; Organisches und Unorganisches stellen sich schroff gegenüber; was hat auch der Leib, der Seele trägt, zu schaffen mit dem Leibe, der ohne Seele ist!  So spaltet und scheidet sich die Welt unaufhörlich weiter und wird dadurch anscheinend immer übersichtlicher und verständlicher, darüber aber zugleich immer widerspruchsvoller und unlebendiger. 

Was wir zuletzt geschildert haben, ist die Weltanschauung, in der wir noch mitten darin stehen. Man kann sie die heutige christliche Anschauung nennen; das soll nicht heissen, dass sie zum Wesen des Christentums gehörte. Christus hat nichts weniger getan, als die Natur von Gott loszulösen; er hat das Verhältnis von Gott und Natur überhaupt nicht erörtert; ihm lag ein anderes ob. Zu Christi Zeiten tat es vor allem not, die übertriebene Wertschätzung von Kultusformen und äusserlichen Satzungen abzutun. In diesen Zusammenhang gehört der Ausspruch "Gott ist Geist, und die ihn anbeten, müssen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten" . Es ist klar, ein so inniges Verhältnis zu Gott, wie Christus es der Menschheit brachte, eine so erhabene Idee von Gott konnte nicht aufkommen, solange der Mensch Gott bloss in derselben Verwickelung erblickte, in die er sich selbst verstrickt fühlte. Gott musste sich scheinbar einmal ganz von der Natur zurückziehen, damit der Geist des Menschen ihm nachziehen und bei ihm erst recht heimisch werden konnte. Das war der grosse Gewinn für das religiöse Empfinden, den das Christentum mit seiner Unterscheidung von Gott und Natur, von Leib und Seele, der Menschheit gebracht hat. Aber auch noch in einer anderen Hinsicht ist jene Unterscheidung bedeutungsvoll geworden. Indem der Mensch jetzt die Natur für sich allein und ohne Beziehung auf Gott betrachtete, lernte er erst ihre Regeln und Gesetze recht verstehen. Dazu hätte er nie gelangen können, solange er glauben musste, dass ein gesetzloser Geist in der Natur waltete. Die ganze Naturforschung wäre nicht möglich gewesen, wenn sich nicht ein Weg gefunden hätte, das Göttliche und das Natürliche jedes für sich zu erforschen. Nur darf die trennende Betrachtung, so erspriesslich sie auch gewesen sein mag, nicht für alle Zeit das Letzte sein und bleiben.

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Die beiden Weltansichten, die heidnische des Altertums und die christliche unserer Zeit, haben jede an ihrem Teil im Gottesbegriff Spaltungen vorgenommen, die wieder verschwinden müssen, wenn ihre Zeit erfüllt ist. 

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Wenn Gott dereinst wieder ganz aufgeht in der Natur, wie diese in Gott, und wenn der Mensch nicht mehr wie ein  fremdes Wesen Gott gegenübersteht, so wird auch den Gestaltungen des Göttlichen im Sinnlichen wieder Raum gegeben sein. Dann werden auch die Engel wieder ihre Lichtgestalten anziehen können, um sichtbar am Himmel über uns zu wandeln.

Das sind freilich Ausblicke in eine ferne Zukunft, die nur dazu dienen sollen, den Standpunkt des Verfassers festzustellen. Unsere alternden Zeit werden diese Gedanken eine Torheit bleiben. Doch drängt schon alles zu einer neuen Zeit.

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"Das was unsern Geist im Jenseits trägt, soll hiernach kein Leib mehr sein wie der jetzige, sondern nur noch der Wellenkreis der Wirkungen und Werke, den jeder Mensch im Diesseits in der umgebenden Welt geschlagen hat."

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"Die Idee dringt nirgends hin, wohin nicht auch ihr materieller Träger dringt. So darf denn auch der Fortsetzung unsers Daseins ins Jenseits hinein eine materielle Unterlage nicht fehlen."

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 "So zusammenhängend der Mensch in sich selbst ist, so zusammenhängend sind seine Wirkungen und Werke in sich, und sie bewahren den Zusammenhang mit ihm selbst in einer Weise, dass sie in der Tat nur als die Fortsetzung oder die weitere Ausbreitung seines engeren leiblichen Daseins erscheinen."

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"Jede neue Anregung, die ein Mensch in die Aussenwelt abgibt, jedes Werk, worauf er seine Kraft verwendet, bildet für seinen jenseitigen Leib sozusagen einen neuen Baustein, der sich in den vorhandenen Bau einfügt"

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"Derselbe Zusammenhang wie im Räumlichen lässt sich aber auch durch das Zeitliche hindurch verfolgen. Alle Wirkungen, die von einem Geisteshelden ausgegangen sind in die Welt und die sich auf seine Anhänger und durch diese weiter fortgepflanzt haben, sind nicht nur durch eine kontinuierliche Kette materieller Folgewirkungen bis auf uns gelangt, sondern diese materiellen Folgewirkungen hängen auch jetzt noch in sich zusammen und wirken fort als träger seines Geistes. Was Christus der Welt gegeben hat durch Wort und Tat, das wirkte zunächst auf dem körperlichen Wege durch Schall und Licht auf seine Jünger ein, begeisterte sie und trieb sie zu neuen Handlungen an. Durch Wort und Beispiel pflanzte sich die Wirkung weiter fort nicht nur in die Menschen hinein, nein, auch über sie hinaus; denn im Sinne der empfangenden Impulse handelten diese Menschen nun auch in die Aussenwelt hinein. Es entstanden in Kirche und Staat, in Kunst und Wissenschaft, im ganzen Leben der Christen allenthalben neue Einrichtungen und neue Weisen, die Dinge zu betrachten, und alle Einrichtungen der Christenheit auf dem ganzen Erdenrund blieben untereinander durch Mittelglieder fest verbunden. Sie sind sozusagen die in sich zusammenhängenden Wellenausbreitungen der Bahn, die dieser Schwan während seines lebens gezogen hat, -sie sind der Leib Christi."

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"Wenn es sich um den leiblichen Ausdruck des Geistes handelt, so kann man die Beobachtung machen, dass schon im Diesseits ein allmählicher Übergang stattfindet von dem kleineren Kreise unsers eigentlichen Leibes auf den grösseren Kreis unserer Wirkungen und Werke. An der körperlichen Erscheinung eines Menschen, selbst an seinem Gesicht, findet sich immer vieles, was mit seinem Charakter, seinem innersten Wesen in keinem oder nur ganz losem Zusammenhang steht. Dagegen tragen die Wirkungen und Werke eine Physiognomie, worin wir schon jetzt den Ausdruck seines Geistes erblicken können, sein wahres Gesicht. Ja, vermöchten wir den ganzen Zusammenhang der Wirkungen und Werke eines Menschen auf einmal zu überblicken, so würde uns darin sein Geist selbst lebendig gegenübertreten. Das wird aber erst im jenseitigen Leben der Fall sein   können."

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"Es ist wahr, so wie hier geschehen, beurteilt man das Verhältnis gewöhnlich nicht. Es liegt vielmehr in unserm Gefühl, dass das, was wir hienieden nach aussen gewirkt haben, wenn einmal geschehen ist, vorüber sei und damit für uns verloren. Dass es eine Fortsetzung unserer selbst ist und, wenn auch unbewusst, dauernd zu uns gehört, wird uns erst im Augenblick des Todes fühlbar werden. Mit dem Schwinden des Bewusstseins für unsern engeren Leib erwacht das Bewusstsein für den weiteren Leib, der schon zu unsern Lebzeiten aus dem engeren Leib hervorgewachsen ist. Man kann kurz sagen: Der Mensch schafft sich schon im Diesseits, ohne dass er daran denkt, um seinen engeren Leib herum in Wirkungen und Werken einen weiteren Leib, der nicht mit vergeht, wenn der engere Leib vergeht, ja, der erst mit dem Tode des engeren Leibes zum Träger des Bewusstseins wird, das vorher an den engeren Leib gebunden war."

"Du hast die Sache bisher wohl so aufgefasst, im Tode werde der Leib des Menschen der Natur zurückgegeben; da zersetze er sich und verliere sich darin; kurz, er vergehe. Und du hast wohl gar vom Tode gefürchtet, die Seele könne dabei mit vergehen. Das hättest du mit demselben Rechte vom Leben fürchten können; denn das ganze Leben ist ein Zersetzungsprozess, der unsern Leib beständig der Natur zurückgibt. Der Tod ist nicht der Anfang des Zersetzungsprozesses, sondern vielmehr sein Abschluss und Ende. Und es ist so geordnet, dass beim Tode die Stoffe aus dem zum Abbruch bestimmten kleineren Hause in einen grösseren Neubau selbst mit übergehen. Dieselben Kräfte, die den kleineren Bau entzogen werden, helfen nun den Neubau errichten. Sie ergreifen dabei aber nicht bloss die Materie, die durch unsern engeren Leib hindurchgelaufen ist; diese dient ihnen vielmehr bloss zum Angriffspunkt, von wo aus sie sich des ganzen Leibes der Erde bemächtigen. So ist unser jetziger Leib selbst nur ein enger Kreis von Wirkungen und Werken, und das diesseitige Leben ist bloss dazu da, den engeren Kreis zum weiteren umzugestalten. Der Tod ist nur die Lösung des letzten Knotens, der das Bewusstsein noch im engeren Kreise gebunden hält; nun tritt der weitere Kreis an die Stelle des engeren, an die Stelle des engen Hauses tritt der grosse Neubau, worin die Seele, sich selbst unbewusst, auch schon im Diesseits gewohnt hatte."

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"Denn das Erinnerungsbild, das wir uns diesseits von einem anderen machen, entsteht bei genauer Betrachtung auf ganz dieselbe Weise, wie das Bild, das wir im Jenseits von ihm machen werden, nämlich durch die bleibenden Wirkungen, die seine Gestalt und sein anschauliches Dasein überhaupt in unser bewusstes Leibliches hinein gewirkt hat.  Diese Nachwirkungen gehören aber eigentlich schon seinem jenseitigen Leibe an, wenn er auch selbst noch im Diesseits ist, also noch nicht zum Bewusstsein dieses jenseitigen Leibes erwacht ist."

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("Zend-Avesta" von Gustav Theodor Fechner, 1851)



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